Stellungnahme gegen die Gedenkkultur der AfD
2017 ist die Alternative für Deutschland (AfD) erstmals in den Deutschen Bundestag gezogen. Wir als in der Jugendarbeit des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. Aktive sehen diesen Einzug mit Besorgnis. Viele Positionen der AfD beunruhigen uns und stehen unserem Verständnis eines freiheitlichen, demokratischen und pluralistischen Miteinanders entgegen. Als junge Akteure der Gedenkkultur richtet sich unsere Aufmerksamkeit aber insbesondere auf die Gedenkkultur der AfD.
Wir halten die Gedenkkultur der AfD für unvereinbar mit unseren Werten und dem Leitbild und Wirken des Volksbundes. Wir möchten ein Statement setzen, dass die erinnerungspolitischen Verirrungen der AfD im Volksbund und in der deutschen Erinnerungskultur keinen Nährboden finden. Den Volkstrauertag am 19. November 2017 wollen wir mit dem beruhigenden Wissen begehen, dass unsere Erinnerungskultur nicht geprägt ist von völkischen, nationalistischen, revisionistischen und antisemitischen Elementen, wie sie die AfD propagiert. Am Volkstrauertag gedenken wir allen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft, wir rufen uns unsere historische Verantwortung ins Bewusstsein und setzen uns für ein friedliches, freiheitliches, pluralistisches und demokratisches Miteinander ein. Wem das auch ein Anliegen ist, ist herzlich eingeladen, die Stellungnahme unten zu unterschreiben.
Für was für ein Gedenken steht die AfD?
Während die AfD in ihrem Wahlprogramm (S.48) vage fordert, „die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus […] aufzubrechen“, offenbart die Partei in Wort und Tat das Ausmaß des geforderten „Ausbruchs“:
- Ausklammerung ziviler Opfer: So gedenkt zum Beispiel die AfD Mecklenburg-Vorpommern auf ihrem Parteitag in Gägelow am Volkstrauertag 2016 ausschließlich der toten Soldaten.
- Ausklammerung nichtdeutscher Kriegstote: „Unsere Trauer am Volkstrauertag auf alle Opfer von Gewalt in dieser Welt „zu verteilen” […] brauchen wir […] nicht zu akzeptieren”, schreibt die AfD Münster 2016. In der Tat gedenkt zum Beispiel der AfD Kreisverband Plön am Volkstrauertag 2016 auf einer Gedenkveranstaltung unter dem Motto „Ein Licht für Deutschland” ausschließlich „der deutschen Opfer”.
Wir dagegen nehmen Anteil am Leid aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaften. Wir fordern ein offenes, inklusives Gedenken, das nicht Soldaten oder Angehörigen bestimmter Staaten vorbehalten ist. Wir lehnen eine nationalistische Erinnerungskultur ab und fordern ein europäisches Gedenken, das das Leid aller Völker in den Blick nimmt und keine Opfer gegeneinander ausspielt.
- Heroisierendes Gedenken: Anlässlich des Volkstrauertags 2016 kritisiert die AfD Münster, dass den gestorbenen Soldaten nicht mehr „Treue durch ehrendes Gedenken” erwiesen wird. Sie kritisiert diese „Umfunktionierung des Volkstrauertags” und die damit einhergehende „Ausblendung ehrender Erinnerung an ganze Generationen”.
Seitdem der Volksbund den Pfad der unter dem Nationalsozialismus aus eigenem Antrieb gewählten Gleichschaltung verlassen hat, distanziert er sich von heroisierender Ehrung der Wehrmachtssoldaten. Wir sehen, dass allein die Funktion des Soldaten unweigerlich eine mindestens potentielle Täterschaft impliziert und sehr viele Wehrmachtssoldaten sich dieser während des zweiten Weltkriegs tatsächlich schuldig gemacht haben, nicht nur durch bloße Kriegshandlungen, sondern auch durch schwere Kriegsverbrechen, die von deutschen Soldaten ausgegangen sind. Wir lehnen es ab, dem Tod der Soldaten posthum Sinn zu verleihen, indem suggeriert wird, sie wären „für ihr Vaterland” gestorben. Der zweite Weltkrieg ist ein Ausdruck sinnloser und verheerender Gewalt, die weder damals, noch heute legitimiert werden kann.
- Zurückweisung der Schuldfrage und Verharmlosung der deutschen Kriegsschuld: Leif-Erik Holm (heute Bundestagsabgeordneter der AfD) sagt vor dem Gedenken am Volkstrauertag 2016: „Das sind wir den Soldaten schuldig, die für ihr Land ins Feld ziehen mussten. Ob diese Kriege nun richtig waren oder nicht.” Alexander Gauland (heute ebenfalls Bundestagsabgeordneter der AfD) fordert am 2. September 2017 gar „das Recht, stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.”
- Zurückweisung einer prominenten Rolle der Shoah in der deutschen Erinnerungskultur und Antisemitismus: Die AfD ist eine Partei, die antisemitischen Einstellungen eine Plattform bietet. Weder als Missverständnis getarnte hetzerische Äußerungen (Björn Höcke, Thüringer Landtagsabgeordnete und Fraktionsvorsitzende der AfD: das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin als „Denkmal der Schande”) noch offener Antisemitismus (Wilhelm von Gottberg, Bundestagsabgeordneter der AfD: die Shoah als „Mythos” und als „wirksames Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen und ihrer Geschichte”) werden mit einem Ausschluss aus der Partei geahndet.
- Forderung nach einem „Schlussstrich”: Jens Maier, AfD-Bundstagsabgeordneter und Richter am Landgericht Dresden, erklärt im Januar 2017 „diesen Schuldkult für beendet“ und bezeichnet die NPD im Übrigen als „die einzige Partei, die immer geschlossen zu Deutschland gestanden hat“. Alexander Gauland pflichtet ihm im September 2017 bei: „Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr”.
Das Erinnern an Soldaten, die im zweiten Weltkrieg auf deutscher Seite gekämpft haben, ist niemals loszulösen von der Erkenntnis, dass der zweite Weltkrieg ein Angriffskrieg war und damit jede deutsche Kriegshandlung Unrecht. Dass viele Menschen im Bewusstsein gekämpft haben, ihre Pflicht zu erfüllen, ändert nichts daran, wenngleich es pauschale Urteile über individuelle Schuld erschwert.
Wir erinnern nicht an militärische „Leistungen”, sondern an die Folgen von Krieg und Gewaltherrschaft. Besonders im Bewusstsein der historischen Verantwortung Deutschlands sehen wir es als unsere Aufgabe, allen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft zu gedenken. Dazu gehört auch jedes einzelne Schicksal der zahlreichen Juden, die während des deutschen Völkermords brutal ihren Tod fanden. Erst mit dem Begreifen dieser historischen Verantwortung kann eine Verantwortung für unsere Zukunft entstehen und unser Gedenken eine Mahnung für Frieden und Verständigung sein.
Berlin, den 31. Oktober 2017.
Erstunterzeichner:
1- Sophie Rothe, Sprecherin des JAK (Jugendarbeitskreises im Volksbund) Berlin
2- Lina Berg, ehem. Sprecherin des JAK Sachsen-Anhalt
3- Manon Cavagna
4- Inga Berg
5- Nadja Tietz, Mitglied im JAK Berlin, ehem. FSJlerin im LV Berlin
6- David Hellwig, ehem. Vorsitzender des Bundesjugendarbeitskreises (BJAK)
7- Ansgar Salzwedel, Sprecher des JAK Berlin, ehem. Vorsitzender des BJAK
Hier geht’s zur Unterzeichnung.
Weitere:
8- Theresa Doß
9- Nicole Alte
10- Sophie Borggrefe, Sprecherin des JAK Nordrhein-Westfalen
11- Phoenix Engelland
12- Annemarie Braatz, Mitglied im JAK Sachsen-Anhalt
13- Nadine Karimanovic, Mitglied im JAK Nordrhein-Westfalen
14- Irmingard Eibl, deutsch-Französische Freiwillige
15- Christoph Machens
16- Susanne Gramke
17- Juliane Nitsche, Mitglied im JAK Nordrhein-Westfalen
18- Patrick Witthaus, Mitglied im JAK Berlin
19- Marcin Piwecki
20- Lena Schroeder
21- Olexiy Falkunskyy
22- Angelika Gericke
23- Marc Benedict, Mitglied im JAK Berlin
24- Julia Frank
25- Sarah Atukpe
26- Oliver Rothe
27- Susanne Bierlmeier
28- Heidi Inderwies
29- Dominic Lagoski, Mitglied im JAK Mecklenburg-Vorpommern
30- Oliver Fürst
31- Paul Korenke
32- Nathalie Cavagna
33- Pauline Gerbershagen
34- Philipp Reifenscheid, ehem. Jugendreferent im Volksbund
35- Stephan Rothe, ehem. Sprecher des JAK Hamburg
36- Lena Christin Schwelling, Landessprecherin GRÜNE JUGEND Baden-Württemberg und Stadträtin in Ulm
37- Justus Dienstbier
38- Gerhard Soyka, stellv. Bundesvorsitzender Junge Europäische Föderalisten (JEF) Deutschland e.V.
39- Burkhard Düvel, Vorstandsmitglied im Landesverband Hamburg
40- Julian Freytag
41- Bodo Henze, ehrenamtlicher Mitarbeiter im Volksbund
42- Jannik Schmidt
43- Imke Scholle, Mitglied im JAK Nordrhein-Westfalen
44- Michaela Aerdker
45- Kathrin Grimm
46- Malte Scholle
47- Martin Platte
48- Lilly Joschko
49- Larissa Holz
50- Jan-Niclas Großjohann, Gymnasiast/Schüler
51- Martin Neumeister, Mitglied und ehem. Sprecher des JAK Sachsen-Anhalt
52- Andreas Scholle
53- Michael Kupiec, Vorsitzender des Bundesjugendarbeitskreises (BJAK)
54- Karen Koop, Landesvorsitzende Hamburg
55- Lina Dingler
56- Nina Radtke
57- Christiane Bier
58- Stephanie Roth, Sprecherin des JAK Mecklenburg-Vorpommern
59- Henrike Pollmann
60- Ferdinand Hauser
61- Clara Wolf
62- Angela Salden, Mitglied im JAK Hamburg und im JAK Mecklenburg-Vorpommern
63- Claudia Korenke, Vizepräsidentin Deutsch-Israelische Gesellschaft
64- Lena Adel
65- Susann Goder
66- Anna Marlena Ruth
67- Maurice Kuntz
68- Nils Prümm, Mitglied im JAK Saar
69- Robin Schuldt
70- Rouven Diener, stellv. Sprecher des Bundesjugendarbeitskreises (BJAK) und Sprecher des JAK Saar
71- Kyra Schummer
72- Sven Jungblut, Mitglied im JAK Saar
73- Bettina Finzel, ehem. Sprecherin des Deutsch-Tschechischen Jugendforums
74- Lea Klär, Mitglied im JAK Saar
75- Jana Müller
76- Mirjam Geißler
77- Christiane Fürst
78- Prisca Klass
79- Sarah Kramer
80- Matthias Wagner
81- Dorothee Kraske, stellv. Vorsitzende des Bundesjugendarbeitskreises (BJAK)
82- Maike Thoms, Assistenz der Geschäftsführung Landesverband Hamburg im Volksbund
83- Nele Fahnenbruck, Bildungsreferentin Landesverband Hamburg im Volksbund
84- Laura-Sophie Neubauer, Mitglied im JAK Hamburg
85- Manuel Mink
86- Verena Effgen, Bildungsreferentin im Landesverband Nordrhein-Westfalen im Volksbund
87- Yvan Vandenbosch, ehrenamtlicher Beauftragte des Volksbundes in Belgien
88- Thomas Rey, Referent Erinnerungskultur und Netzwerkarbeit im Volksbund
89- Bettina Harz, pädagogische Mitarbeiterin der Jugendbegegnungsstätte Golm im Volksbund
90- Myriam Koonings, Leiterin der Jugendbegegnungsstätte Lommel im Volksbund
91- Harmut Tölle, DGB Vorsitzender Bezirk Niedersachsen-Bremen-Sachsen-Anhalt
92- Mariusz Siemiatkowski, wissenschaftlicher Leiter der Jugendbegegnungsstätte Golm im Volksbund
93- Coskun Tözen, Bildungsreferent, Bezirksverband Hannover im Volksbund
94- Dr. Heike Winkel, Projektkoordinatorin „Sowjetische und deutsche Kriegsgefangene und Internierte“ im Volksbund
95- Hans-Dieter Heine, Leiter des Kompetenzcenters Jugendbildung / Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten des Volksbundes
96- Luiza Kulenkampff, Bildungsreferentin Kompetenzcenter Internationale Jugendbegegnungen im Volksbund
97- Oktavia Christ, Geschäftsführerin Landesverband Hamburg im Volksbund
98- Gunnar Zamzow, Referent Programmkoordination Fördermittel im Volksbund
99- Natalia Hoffmann, Programmkoordinatorin Fördermittel im Volksbund
100- Heidi Schöpfer, Programmkoordination Fördermittel im Volksbund
101- Tim-Benedikt Attow, JAK-Sprecher Thüringen und FSJ’ler
102- Reinhard Soltau, Ehrenvorsitzender LV Hamburg im Volksbund
103- Christoph Tamm
104- Raphaela Kraske, Mitglied im JAK Nordhein-Westfalen
105- Anne Schieferdecker, Bildungsreferentin Kompetenzcenter Internationale Jugendbegegnungen im Volksbund
106- Gerhard Fontagnier, Gemeinderat Mannheim
107- Mareile große Beilage
108- Isabella Hoyer, Studentin der Politikwissenschaft
109- Marthe Burfeind
110- Nora Schütze
111- Alexandre Bischofberger, Akademischer Mitarbeiter
112- Claudia Schnellbögl
113- Anne-Susann Schanner, Bildungsreferentin, Landesverband Berlin im Volksbund
114- Johann Banz, BJA Vertreter Thüringen im Volksbund
115- Dennis Varoß
116- Anja Schillhaneck, MdA, ehem. Vizepräsidentin Abgeordnetenhaus Berlin
117- Lutz Tillack
118- Sonja Czekaj, Leiterin Kompetenzcenter Friedenspädagogisches Arbeiten an Schulen und Hochschulen im Volksbund
119- René Alfais, stellv. Landesvorsitzender Hamburg, Ehrenmitglied und ehem. Sprecher des JAK Hamburg
120- Hannah Natalia Rosenbaum
121- Robin Czudaj, Mitglied im JAK Sachsen
122- Matthias Schwartz
123- Isabel Flieter
124- Martin Lippman, Mitglied im JAK Sachsen
125- Kerstin Tietz
126- Lotte Krüger
127- Roland Behrmann, Geschäftsführer Landesverband Niedersachsen im Volksbund
128- Kinga Kazmierczak, Bildungsreferentin, Landesverband NRW im Volksbund
129- Jost Lühle
130- Nikola Obermann, Redakteurin der Sendung Karambolage
131- Lisa Kaiser, JAK Sachsen
132- Elise Julien, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates des Volksbundes
133- Matthias Albrecht, Mitglied des Landesvorstands Hamburg im Volksbund
134- Sönke Neitzel, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Volksbundes
135- Krzysztof Ruchniewicz, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Volksbundes
136- Jan Scherschmidt, Geschäftsführer, Landesverband Sachsen-Anhalt im Volksbund
137- Daria Antonova
138- Fritz Felgentreu, Mitglied des 19. Deutschen Bundestages
139- Veronika Křížková
140- Jan Elßner, JAK Sprecher Sachsen im Volksbund
141- Carl Friedrich Moosdorf
142- Tassilo Heinen, JAK Saar im Volksbund
143- Henrik Berthold
144- Marlies Noltze
145- Arne Jost, Regionalbeauftragter Hessen Nord, LV Hessen im Volksbund
146- Louis Schreier, JAK NRW und Berlin
147- Alex Maier, Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg
148- Katja Friedewald
149- Kasimir Buhr
150- Christian Beissner, Freischaffender Künstler
151- Jens-Uwe Köhler
152- Willi Kripp
153- Benjamin Pizarro, Stadtverordneter in Bad Nauheim
154- Daniel Pferrer
155- Susanne Prüfer
156- Alexander Schneidmesser, ehemaliger Sprecher des JAK Berlin und Hamburg
157- Konstantin Dittrich, Ehemaliger Leiter Kompetenzcenter Internationale Jugendbegegnungen
158- Stefan Troebst, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Volksbundes
159- Linda Becker
160- Richard Mentzer, JAK Sachsen
161- Hartmut Wollgarten
Mit Ausfüllen des folgenden Formulars unterzeichne ich die obige Stellungnahme und erkläre mich damit einverstanden, dass mein Name, mein Vorname und ggfs. meine Funktion / Position unter dieser Stellungnahme veröffentlich werden. Meine Daten werden an keiner anderen Stelle veröffentlicht und auch nicht weitergeleitet.